Es gibt Leute, die stehen der Sonne ganz nah, auf dem Gipfel sozusagen. Unentwegt erzählen sie über sich selbst. Beweihräuchern sich geradezu. Ein Stück darunter auf der horizontalen Ebene bewegen sich die meisten. Sie erzählen, präsentieren, hören aber auch zu. Und dann sind da noch die anderen, die sich lieber zurückhalten, gut zuhören können, wenig über sich preisgeben und eher die stille Natur bevorzugen. Still natürlich nur im Sinne von keine Menschen. (Es gibt schließlich unzählige Tiere, die Tag und Nacht ihre Meinung kundtun.)
Zu der Sorte gehöre ich, zu den anderen.
Dennoch ziehe ich ausnahmsweise mal alle Register und plaudere hier ein bisschen was über mich aus.
Rückblickend sage ich, das war die schönste Zeit in meinem Leben. Ich bin nämlich ein waschechtes Dorfkind. Und wo sonst könnte eine Kindheit wohl schöner sein? Natur, Schafe, Hühner, Karnickel, wie sie in meinen heimatlichen Gefilden genannt werden. Oder Gänse, denen ich zu nahe gekommen bin und die mir dann kreischend hinterherrannten. Dreckig von Kopf bis Fuß. Ich war den ganzen Tag draußen und habe mich bei meinen Eltern nur zum Essen mal blicken lassen.
Computer, Handy, Tablet waren für mich damals nicht existente Begriffe. Was für ein Glück! Vielleicht hat genau das zum Teil meine Kreativität geprägt.
Meine Schulzeit. Ich will ehrlich sein, die habe ich ganz und gar nicht gemocht. Gehasst will ich nicht sagen, das wäre dann doch etwas übertrieben.
Meine Schule lag im nächsten Ort. So musste ich jeden Morgen den Schulbus erwischen. Das ist etwas, das ich tatsächlich gehasst habe. Den Bus nicht zu verpassen, das war die tägliche Wanderung auf einem schmalen Grat, eine Herausforderung. Ich habe ihn meistens nur auf den letzten Pfiff erwischt. Verpassen und auf den nächsten warten, war keine Option. Denn das war der einzige Bus, der fuhr. Meine Eltern waren um die Zeit längst auf Arbeit, außer meinem Klappfahrrad gab es da niemanden, der mich hätte gefahren. Damals tickten die Uhren noch ein wenig anders.
Was wahrscheinlich nur wenige nachvollziehen können, ich habe auch das Schullandheim, Ferienlager und Sportfest verabscheut. Nicht, dass ich ich unsportlich gewesen wäre, im Gegenteil, damals war ich sehr sportlich. Ich war quasi ein Gummimännchen (bzw. Gummiweibchen). Wie gern wäre ich genau zu dieser Zeit krank geworden. Wurde ich aber nicht und selbst wenn, ich musste sogar mit dem Kopf unter dem Arm zur Schule gehen.
Es gibt jedoch eine Sache oder eher zwei, die mir an der Schule gefallen haben. Nämlich das Fach Russisch (habe ich inzwischen leider völlig verlernt) und das Fach Deutsch. Das war aber nur meine heimliche Leidenschaft, die meisten mochten diese Fächer nicht und auffallen war schließlich nicht meine Devise. Meine Liebe zur deutschen Sprache habe ich bis heute beibehalten. Vermutlich auch ein Grund, weshalb ich Autorin geworden bin.
Es gibt aber noch einen weit ausschlaggebenderen Grund für meine Schreiberei. Und zwar meine liebe Mutti. Sie hat vor vielen Jahren Schriftstellerei studiert und unter anderem auch eine Geschichte und für Zeitschriften geschrieben. Als Kind war ich davon absolut fasziniert. Also habe ich mir ein Schreibbuch geschnappt und losgelegt. Etwa 3 DIN A4 Seiten habe ich mit einer tollen Geschichte vollgepackt. Sie spielte im Winter in Alaska. Menschen, die einen Wald durchqueren mussten, wurden von Wölfen angefallen und gefressen. Dummerweise habe ich sie nie beendet. Damals war ich ungefähr 10 Jahre alt. Mir hat wohl ein durchgängig guter Plot gefehlt.
Zu der Zeit habe ich ständig von Wölfen geträumt, bin nachts aufgewacht und konnte nicht schlafen vor lauter Angst. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht habe ich da gerade die Bücher von Jack London gelesen, wer weiß. Um meine Erinnerung wabert dicker Nebel. Ich denke, ich habe in dieser Geschichte unbewusst meine Angst vor den (eigentlich gar nicht so bösen) Wölfen verarbeiten wollen.
Das tue ich teilweise noch heute in meinen Geschichten. Zum Beispiel habe ich jahrelang unter einem Autounfall gelitten. Dann habe ich ihn in meinem Thriller Toxin-Killer eingeflochten, und seither bin ich befreit davon. Das war schlau.
In meiner pubertierenden Phase wollte ich nichts von Büchern wissen. Es gab schließlich wichtigere Dinge wie Disco, Jungs, Klamotten, Spaghetti-Partys, Freunde treffen.
Das legte sich schlagartig mit der widerspenstigen Zähmung. Ich lernte meinen ersten Mann kennen. Gleichzeitig fand ich meine Liebe zu den Büchern wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich zur braven Hausfrau mutierte und nur noch hinter dem Herd stand. Nein, nein. Wir wohnten mit Freunden gemeinsam in einem Haus, da ging die Party weiter.
Mit 16 war ich etwas ganz Besonderes. Ich durfte ab und zu den Unterricht verlassen, weil ich gerade Fahrschule gemacht hatte. Aber nicht nur irgendeine, ich bin mit ganz großem Gefährt dahergekommen, einem Traktor. Ich fand mich ja so was von cool.
Der Traktor war natürlich nicht das Standardfahrzeug von uns Dorfbewohnern. Wir hatten selbstverständlich auch echte Autos, Motorräder und Mopeds.
Der ›Trekker‹ sollte der Einstieg in meine bald folgende berufliche Laufbahn werden. Gärtner, was Blöderes konnte ich mir gar nicht aussuchen. Wobei, das habe ich gar nicht. In meiner Vorstellung gab es nie ein Ende der Schulzeit. Ich wusste zwar, nach den Prüfungen in der zehnten Klasse wäre Schluss, aber so wirklich wollte ich das nicht glauben. Daher hab ich auch nicht darüber nachgedacht, was ich mal werden wollte. Und als die Zeit immre enger wurde, habe ich den Ratschlag meiner Eltern befolgt. Schließlich besaß ich in unserem Garten zwei eigene Beete, und das hätte mir doch immer so viel Spaß gemacht.
Nach dem Lehrabschluss bin ich vor den Kohlfeldern umgehend geflüchtet. Dafür war ich einfach nicht geschaffen.
Ein Jahr später kam auch schon die Wende. Eine Weile hab ich mich noch ›durchgewurschtelt‹ und habe dann eine Ausbildung für den Großhandel durchgezogen, wohlweislich, dass ich nicht wusste, was ich da überhaupt tue. Es hat sich dann doch nicht als so schlecht erwiesen. Ich habe viele Jahre tolle Bäder für etliche Menschen, Hotels und andere Anlagen entworfen, eingerichtet – wie auch immer.
Habe ich schon erwähnt, dass ich einer Judoka-Familie entstamme? Mein Papi war jahrzehntelang Judotrainer, meine Mutti hat diese Sportart viele Jahre ausgeübt und meine Schwester auch. Und ich, wie sollte es anders sein, bin ebenfalls in diese Fußstapfen getreten. Da war ich etwa 5 oder 6 Jahre alt. Anfangs habe ich nur rumgehampelt. In meinem Alter gab es nie einen Partner. Mit 6 Jahren konnte ich schließlich keinen 15-jährigen auf die Matte hauen.
Alle haben immer wieder Gürtelprüfungen abgelegt. Glücklicherweise bin ich da drum herumgekommen. Ich war schon immer ein Schisser, und vor einem Prüfungskomitee aufzutreten, war noch nie mein Ding. Die Partner, die ich in meinem Alter dann und wann hatte, mussten immer erst angelernt werden. Waren sie endlich so weit, schmissen sie das Training jedes Mal kurz vor der Gürtelprüfung. Daher besitze ich bis heute nur den weißen Gürtel.
Irgendwann ein paar Jahre später habe ich selbst aufgegeben. Warum? Weil sich die anderen Kids in meiner Klasse über meine Sportart lustig gemacht hatten. Heute würde ich drüberstehen. Aber damals, na ja.
Wie schon erwähnt, wollte ich bereits als Kind eine Geschichte schreiben. Die Idee hatte sich jedoch ins Nirwana geflüchtet, bis sie eines Tages wieder auftauchte. Das war im Jahr 2009 oder 2010.
Meine Freundin hatte eines Nachts einen Traum. Der lief wohl ab wie ein kompletter Film und da kam sie auf die fixe Idee, ihn als Geschichte aufzuschreiben. Geile Sache, dachte ich, das willst du auch. Von da an schrieb ich drauf los, und das hält bis heute an.
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